Liebe Weihnachtsgrüße

So schnell wie dieses Jahr ist Weihnachten auch noch nicht da gewesen und das bei frühlingshaften Temperaturen. Deshalb bin ich gerade auch noch nicht wirklich in Weihnachtsstimmung. Ich hoffe, Euch geht es da anders.

Aber ein paar ruhige Tage mit der Familie sind immer schön und deshalb wünsche ich allen meinen Lesern besinnliche Tage im Kreise ihrer Lieben und damit die Möglichkeit Kraft fürs neue Jahr zu tanken.

Und für alle, die mal eine halbe Stunde Ruhe und Gemütlichkeit brauchen, gibt es jetzt eine kleine Weihnachtsgeschichte. Kocht Euch vorher eine Tasse Kakao, brennt eine Kerze an und nascht ein paar Plätzchen dabei.

Der Schneemann
von Hans Christian Andersen

„Eine so wunderbare Kälte ist es, das
mir der ganze Körper knackt!“ sagte der Schneemann. „Der Wind kann einem
wirklich Leben einbeißen. Und wie die Glühende dort glotzt!“ Er meinte die
Sonne, die gerade im Untergehen begriffen war. „Mich soll sie nicht zum Blinzeln
bringen, ich werden schon die Stückchen festhalten.“
Er hatte nämlich statt der Augen zwei
große, dreieckige Stückchen von einem Dachziegel im Kopf; sein Mund bestand aus
einem alten Rechen, folglich hatte sein Mund auch Zähne. Geboren war er unter dem Jubelruf der
Knaben, begrüßt vom Schellengeläut und Peitschenknall der Schlitten.

Die Sonne ging unter, der Vollmond ging
auf, rund, groß, klar und schön in der blauen Luft. „Da ist sie wieder von einer anderen
Seite!“ sagte der Schneemann. Damit wollte er sagen: die Sonne zeigt sich
wieder. „Ich habe ihr doch das Glotzen abgewöhnt! Mag sie jetzt dort hängen und
leuchten, damit ich mich selber sehen kann. Wüsste ich nur, wie man es macht, um
von der Stelle zu kommen! Ich möchte mich gar zu gern bewegen! Wenn ich es
könnte, würde ich jetzt dort unten auf dem Eis hingleiten, wie ich die Knaben
gleiten gesehen habe; allein ich verstehe mich nicht darauf, weiß nicht, wie man
läuft.“

„Weg! weg!“ bellte der alte Kettenhund;
er war etwas heiser und konnte nicht mehr das echte „Wau! wau!“ aussprechen; die
Heiserkeit hatte er sich geholt, als er noch Stubenhund war und unter dem Ofen
lag. „Die Sonne wird dich schon laufen lehren! Das habe ich vorigen Winter an
deinem Vorgänger und noch früher an dessen Vorgänger gesehen. Weg! weg! Und weg
sind sie alle!“

„Ich verstehen dich nicht, Kamerad“,
sagte der Schneemann. „Die dort oben soll mich laufen lehren?“ Er meinte den
Mond; „ja, laufen tat sie freilich vorhin, als ich sie fest ansah, jetzt
schleicht sie heran von einer anderen Seite.“

„Du weißt gar nichts!“ entgegnete der
Kettenhund, „du bist aber auch eben erst aufgekleckst worden. Der, den du da
siehst, das ist der Mond; die, welche vorhin davongegangen ist, das war die
Sonne; die kommt morgen wieder, die wird dich schon lehren, in den Wallgraben
hinabzulaufen. Wir kriegen bald anderes Wetter, ich fühle es schon in meinem
linken Hinterbein, es sticht und schmerzt; das Wetter wird sich ändern!“

„Ich verstehe ihn nicht“, sagte der
Schneemann, „aber ich habe es im Gefühl, dass es etwas Unangenehmes ist, was er
spricht. Sie, die so glotzte und sich alsdann davonmachte, die Sonne, wie er sie
nennt, ist auch nicht meine Freundin, das habe ich im Gefühl!“ „Weg! weg!“ bellte der Kettenhund, ging
dreimal um sich selbst herum und kroch dann in seine Hütte um zu schlafen.

Das Wetter änderte sich wirklich. Gegen
Morgen lag ein dicker, feuchter Nebel über der ganzen Gegend; später kam der
Wind, ein eisiger Wind; das Frostwetter packte einen ordentlich, aber als die
Sonne aufging, welche Pracht! Bäume und Büsche waren mit Reif überzogen, sie
glichen einem ganzen Wald von Korallen, alle Zweige schienen mit strahlend
weißem Blüten über und über besät. Die vielen und feinen Verästelungen, die der
Blätterreichtum während der Sommerzeit verbirgt, kamen jetzt alle zum Vorschein.
Es war wie ein Spitzengewebe, glänzend weiß, aus jedem Zweig strömte ein weißer
Glanz. Die Hängebirke bewegte sich im Wind, sie hatte Leben wie alle Bäume im
Sommer; es war wunderbar und schön! Und als die Sonne schien, nein, wie
flimmerte und funkelte das Ganze, als läge Diamantenstaub auf allem und als
flimmerten auf dem Schneeteppich des Erdbodens die großen Diamanten, oder man
konnte sich auch vorstellen, dass unzählige kleine Lichter leuchteten, weißer
selbst als der weiße Schnee.

„Das ist wunderbar schön!“ sagte ein
junges Mädchen, das mit einem jungen Mann in den Garten trat. Beide blieben in
der Nähe des Schneemanns stehen und betrachteten von hier aus die flimmernden
Bäume. „Einen schöneren Anblick gewährt der Sommer sicht!“ sprach sie, und ihre
Augen strahlten. „Und so einen Kerl wie diesen hier hat
man im Sommer erst recht nicht“, erwiderte der junge Mann und zeigte auf den
Schneemann. „Er ist hübsch“.
Das junge Mädchen lachte, nickte dem
Schneemann zu und tanzte darauf mit ihrem Freund über den Schnee dahin, der
unter ihren Schritten knarrte und pfiff, als gingen sie auf Stärkemehl.

„Wer waren die beiden?“ fragte der
Schneemann. „Liebesleute!“ Gab der Kettenhund zur
Antwort. „Sie werden in eine Hütte ziehen und zusammen am Knochen nagen. Weg!
weg!“ „Sind denn die beiden auch solche Wesen
wie du und ich?“ fragte der Schneemann. „Die gehören ja zur Herrschaft!“
versetzte der Kettenhund, „freilich weiß man sehr wenig, wenn man den Tag zuvor
erst zur Welt gekommen ist. Ich merke es dir an! Ich habe das Alter, auch die
Kenntnisse; ich kenne alle hier im Haus, und auch eine Zeit habe ich gekannt, da
lag ich nicht hier in der Kälte und an der Kette. Weg! weg!“

„Die Kälte ist herrlich!“ sprach der
Schneemann. „Erzähle, erzähle! Aber du darfst nicht mit den Ketten rasseln; es
knackt in mir, wenn du das tust.“

„Weg! weg!“ bellte der Kettenhund. „Ein
kleiner Junge bin ich gewesen, klein und niedlich, sagte man; damals lag ich auf
einem mit Sammet überzogenen Stuhl dort oben im Herrenhaus, im Schoß der
obersten Herrschaft; mir wurde die Schnauze geküsst, und die Pfoten wurden mir
mit einem gestickten Taschentuch abgewischt, ich hieß Ami! lieber Ami! süßer
Ami! Aber später wurde ich ihnen dort oben zu groß, und sie schenkten mich der
Haushälterin. Ich kam in die Kellerwohnung! Du kannst dorthin hinunterschauen,
wo ich Herrschaft gewesen bin, denn das war ich bei der Haushälterin. Es war
zwar ein geringerer Ort als oben, aber er war gemütlicher, ich wurde nicht in
einem fort von Kindern angefasst und gezerrt wie oben. Ich bekam ebenso gutes
Futter wie früher, ja besseres noch! Ich hatte mein eigenes Kissen, und ein Ofen
war da, der ist um diese Zeit das Schönste von der Welt! Ich ging unter den
Ofen, konnte mich darunter ganz verkriechen. Ach, von ihm träume ich noch. Weg!
weg!“

„Sieht denn ein Ofen so schön aus?“
fragte der Schneemann. „Hat er Ähnlichkeit mit mir?“ „Der ist gerade das Gegenteil von dir!
Rabenschwarz ist er, hat einen langen Hals mit Messingtrommel. Er frisst
Brennholz, dass ihm das Feuer auf dem Munde sprüht. Man muss sich an der Seite
von ihm halten, dicht daneben, ganz unter ihm, da ist es sehr angenehm. Durch
das Fenster wirst du ihn sehen könne, von dort aus, wo du stehst.“

Und der Schneemann schaute danach und
gewahrte einen blank polierten Gegenstand mit messingner Trommel; das Feuer
leuchtete von unten heraus. Dem Schneemann wurde ganz wunderlich zumute, es
überkam ihn ein Gefühl, er wusste selber nicht welches, er konnte sich keine
Rechenschaft darüber ablegen; aber alle Menschen, wenn sie nicht Schneemänner
sind, kennen es.

„Und warum verließest du sie?“ fragte
der Schneemann. Er hatte es im Gefühl, dass es ein weibliches Wesen sein musste.
„Wie konntest du nur einen solchen Ort verlassen?“
„Ich musste wohl!“ sagte der Kettenhund.
„Man warf mich zur Tür hinaus und legte mich hier an die Kette. Ich hatte den
jüngsten Junker ins Bein gebissen, weil er mir den Knochen wegstieß, an dem ich
nagte: Knochen um Knochen, so denke ich! Das nahm man mir aber sehr übel, und
von dieser Zeit an bin ich an die Kette gelegt worden und habe meine Stimme
verloren, hörst du nicht, dass ich heißer bin? Ich kann nicht mehr so sprechen
wie die anderen Hunde: weg! weg! Das war das Ende vom Lied!“

Der Schneemann hörte ihm aber nicht mehr
zu, er schaute immerfort in die Kellerwohnung der Haushälterin, in ihre Stube
hinein, wo der Ofen auf seinen vier eisernen Beinen stand und sich in derselben
Größe zeigte wie der Schneemann. „Wie das sonderbar in mir knackt!“ sagte
er. „Werde ich nie dort hineinkommen? Es ist doch ein unschuldiger Wunsch, und
unsere unschuldigen Wünsche werden gewiss in Erfüllung gehen. Ich muss dort
hinein, ich muss mich an sie anlehnen, und wollte ich auch das Fenster
eindrücken!“

„Dort hinein wirst du nie gelangen!“
sagte der Kettenhund, „und kommst du an den Ofen hin, so bist du weg! weg!“ „Ich bin schon so gut wie weg!“ erwiderte
der Schneemann, „ich breche zusammen, glaube ich.“ Den ganzen Tag stand der Schneemann und
schaute durchs Fenster hinein; in der Dämmerstunde wurde die Stube noch
einladender; vom Ofen her leuchtete es mild, gar nicht wie der Mond, nicht wie
die Sonne; nein, wie nur der Ofen leuchten kann, wenn er etwas zu verspeisen
hat. Wenn die Stubentür aufging, hing ihm die Flamme zum Munde heraus, diese
Gewohnheit hatte der Ofen; es flammte deutlich rot auf um das weiße Gesicht des
Schneemannes, es leuchtete rot seine ganze Brust herauf.
„Ich halte es nicht mehr aus!“ sagte er.
„Wie schön es ihr steht, die Zunge so herauszustrecken!“ Die Nacht war lang, dem Schneemann ward
sie aber nicht lang, er stand in seine eigenen schönen Gedanken vertieft, und
die froren, dass es knackte.

Am Morgen waren die Fensterscheiben der
Kellerwohnung mit Eis bedeckt; sie trugen die schönsten Eisblumen, die nur ein
Schneemann verlangen konnte, allein sie verbargen den Ofen. Die Fensterscheiben
wollten nicht auftauen; er konnte den Ofen nicht sehen, den er sich als ein so
liebliches weibliches Wesen dachte. Es knackte und knickte in ihm und rings um
ihn her; es war gerade so ein Frostwetter, an dem ein Schneemann seine Freude
haben musste. Er aber freute sich nicht – wie hätte er sich auch glücklich
fühlen können, er hatte Ofensehnsucht.

„Das ist eine schlimme Krankheit für
einen Schneemann“, sagte der Kettenhund, „ich habe an der Krankheit gelitten;
aber ich habe sie überstanden. Weg! weg!“ bellte er. „Wir werden anderes Wetter
bekommen!“ fügte er hinzu.

Und das Wetter änderte sich; es wurde
Tauwetter.

Das Tauwetter nahm zu, der Schneemann
nahm ab. Er sagte nichts, er klagte nicht, und das ist das richtige Zeichen. Eines Morgens brach er zusammen. Und
sieh, es ragte so etwas wie ein Besenstiel da, wo er gestanden hatte, empor. Um
den Stiel herum hatten die Knaben ihn aufgebaut.

„Ja, jetzt begreife ich es, jetzt
verstehe ich es, dass er die große Sehnsucht hatte!“ sagte der Kettenhund. „Da
ist ja ein Eisen zum Ofenreinigen an dem Stiel, der Schneemann hat einen
Ofenkratzer im Leib gehabt! Das ist es, was sich in ihm geregt hat, jetzt ist
das überstanden; weg! weg!“ Und bald darauf war auch der Winter
überstanden.

„Weg! weg!“ bellte der heisere
Kettenhund; aber die Mädchen aus dem Hause sangen:
Waldmeister grün! Hervor aus dem Haus,
Weide! Die wollenen Handschuhe aus;
Lerche und Kuckuck! Singt fröhlich drein,
Frühling im Februar wird es sein!
Ich singe mit: Kuckuck“ Kiwitt“
Komm, liebe Sonne, komm oft – kiwitt!
Und dann denkt niemand an den
Schneemann.

Eure Danii von Lecker Bentos und mehr

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